Es ist vorbei, bye-bye, Junimond.

„Schluss, Aus, Ende. Das wars. Ich habe Tinder gelöscht. Und ich fühle mich so befreit!“ Genau das hat mir eine Freundin vor ein paar Tagen freudestrahlend erzählt. Um ehrlich zu sein kann ich sie verstehen. Ich habe langsam auch die Lust am großen Tinder-Experiment verloren. Die Frage, die ich mir zu Beginn dieses Blogs gestellt habe, nämlich ob man über die App die große Liebe finden kann, kann ich mittlerweile getrost mit einem klaren NEIN beantworten. In 99 Prozent aller Fälle geht es tatsächlich ausschließlich um Sex. Und das beginnt mich zu langweilen. Auf Unterhaltungen wie „Suchst du Sex oder Liebe? Ich glaube ja, dass guter Sex die perfekte Basis für die Liebe ist. Wollen wir zusammen herausfinden, ob wir eine gemeinsame Basis schaffen können?“ habe ich einfach keine Lust mehr, sie öden mich an. Und sie erschrecken mich auch ein kleines bisschen. Funktionieren diese einfallslosen Maschen wirklich? Bei irgendwelchen naiven Frauen vielleicht schon, bei mir nicht. Natürlich gibt es auch die anderen. Diejenigen, die wirklich die große Liebe suchen. Aber bei denen wird ziemlich schnell klar, warum sie diese im „normalen Leben“ bisher nicht gefunden haben. Eine Unterhaltung möchte ich kurz zitieren, um dies zu verdeutlichen: „Hey, du bist sehr hübsch! Wie geht es dir? Du siehst echt toll aus. Was machst du in deiner Freizeit am liebsten? Ich mache am liebsten alles mit meiner Partnerin zusammen. Wenn ich eine habe, dann will ich rund um die Uhr Zeit mit ihr verbringen. Am liebsten zusammen kochen und DVDs schauen. Magst du das auch?“ Äh, ja. Hilfe. Ich antwortete kurz, dass ich auch gerne Zeit mit dem Partner verbringe, aber durchaus auch gerne noch meinen eigenen Interessen nachgehe. Die Antwort kam postwendend. „Das finde ich gut. Ich will nicht mehr alleine einschlafen. Das geht dir bestimmt genauso, oder?“ Naja, ich schlafe schon gerne neben einem Mann ein, aber ich schlafe auch ganz wunderbar alleine. Genau das sage ich auch. Vielleicht muss dieser Mensch desillusioniert werden. Als ich nachts um zwei nochmal bei Tinder online bin, kommt eine Nachricht von ihm: „Warum bist du jetzt noch wach?????????! Ist da etwa ein anderer Mann bei dir?????“ Hilfe, ein Kontrollfreak. Nichts wie weg. Das sind dann eben die Männer, die wohl doch die Frau fürs Leben suchen. Man kann also nicht generell sagen, dass es diese bei Tinder nicht gibt.

Nach über 200 Matches ist der Reiz für mich trotzdem weg und die „guten“ Männer unter ihnen kann ich tatsächlich an einer Hand abzählen. Das ist ein wie ich finde ernüchterndes und irgendwo auch erschreckendes Ergebnis. Ich beschließe, es dem Beispiel meiner Freundin gleich zu tun. Weg mit Tinder. Ich habe keine Lust mehr auf niveaulose und sexistische Kommunikation. Eine andere Freundin hat meine Tinder-Erfahrungen sehr schön zusammengefasst: „Ganz im Ernst – Tinder hat dir doch echt nur Mist eingebracht.“ Das ist vielleicht krass ausgedrückt, im Kern aber nicht falsch. Denn von den Männern, die ich hier kennengelernt und für gut befunden habe, ist tatsächlich nicht ein einziger auf der Suche nach etwas Ernsthaftem. Wie ich bereits dargelegt habe, weiß ich selbst zwar auch nicht genau, wonach ich suche. Aber die Frage, die ich mir zu Beginn gestellt habe: „Kann man mittels Tinder tatsächlich einen Partner finden?“ muss ich verneinen. Und Zack: die Tinder-App ist gelöscht. Wer jetzt glaubt, das sei das Ende dieses Blogs, der irrt sich. Das große Thema „Männer“ gibt noch jede Menge Stoff her.

The Rules.

Jeder, wirklich jeder von uns hat sich mindestens einmal im Leben folgende Frage gestellt: wie zur Hölle soll ich mich nur verhalten, damit er/sie mich gut findet? Bin ich lieber offensiv oder zurückhaltend? Unkompliziert oder zickig? Zeige ich meine Intelligenz oder mache ich lieber auf naiv, um das Kindchenschema zu erfüllen, auf das so viele Männer abfahren?

Vor vielen Jahren kam die Antwort auf all unsere Fragen auf den Markt, und zwar in Form eines Buches. Stars (oder solche, die sich dafür halten) schwören ebenso darauf wie zahlreiche Normalos: „The Rules“, zu deutsch: „Die Kunst, den Mann fürs Leben zu finden – Die Regeln“. Klingt doch erstmal sehr schön. Irgendein schlauer Mensch hat also alle strittigen Fragen für uns geklärt und einen Leitfaden erstellt, mit dessen Hilfe wir unfallfrei durchs Beziehungsleben kommen. Im Vorwort wird bereits die nette Anekdote einer unscheinbaren Frau erzählt, die trotz ihres Mauerblümchendaseins bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts zahlreiche hartnäckige Verehrer hatte. Wie das? Tja, angeblich hielt sie sich 1:1 an „Die Regeln“ und wickelte damit sämtliche Männer des Dorfes um den Finger. Von Generation zu Generation wurden diese Richtlinien weitergegeben und funktionieren bis heute tadellos. Soweit der Mythos. Natürlich bin ich neugierig. Besonders, als ich folgende Aussage lese: „Beim Lesen werden Sie erfahren, warum all Ihre vergangenen Beziehungen gescheitert sind. Ganz einfach: weil Sie sich nicht an „die Regeln“ gehalten haben.“ Aha. Jetzt will ich es wissen.

Regel Nummer 1: Sei anders als alle anderen. Gut, das leuchtet ein, ist jetzt aber keine vollkommen neue Erkenntnis. Jedem normalen Menschen ist doch klar: will ich DEM/DER Einen gefallen, muss ich anders sein, als all die Milliarden Menschen, die sonst noch so auf diesem Erdball unterwegs sind. Sonst würde uns ja grundsätzlich jeder gefallen. Gegen ein bisschen Selbstbewusstsein spricht nichts. Aber das, was mich von den anderen unterscheidet, das, was mich „anders“ macht, ist doch oft das, was der andere in uns sieht. Ob es nun vorhanden ist, oder nicht. Also kann man da meiner Meinung nach nicht so unfassbar viel aktiv dazu beitragen.

Regel Nummer 2: Spreche einen Mann nie zuerst an und fordere ihn nicht zum Tanzen auf. Diese Regel ist definitiv aus dem vorigen Jahrhundert. Das Buch hat übrigens die ultimative Weisheit parat: selbst, wenn du in einem vollgestopften Club unterwegs bist und jemanden aus der Ferne gut findest, sprich ihn niemals an. Denn: er hat kein Interesse an dir. Keine Rede davon, dass er dich aufgrund der Enge und Gedrängtheit vielleicht gar nicht gesehen hat.

Regel Nummer 5: Ruf ihn nicht an und ruf auch nicht zurück. Kurz und knapp: wenn ich mit ihm reden will, sollte ich also quasi rund um die Uhr neben dem Telefon sitzen und geduldig abwarten, bis er die Zeit und Muse findet, mich anzurufen. Nein, danke.

Regel Nummer 7: Nimm nach Mittwoch keine Einladungen mehr für Samstag an. Richtig. Es ist schließlich viel schöner, einen Samstagabend frustriert und alleine auf der Couch zu verbringen, weil man aus falschem Stolz abgelehnt hat. Wenn man noch nichts geplant hat und Lust auf ein Date hat – warum nicht?

Regel Nummer 9: Wie man sich bei der ersten, zweiten und dritten Verabredung verhält. „Lache über seine Witze und höre ihm einfach nur zu.“ Das klingt doch mal emanzipiert und erwachsen.

Regel Nummer 12: Mach mit ihm Schluss, wenn du kein romantisches Geburtstags- oder Valentinstagsgeschenk bekommst. Ha. Ha. Hahahaha. Wie viele Paare wären heute noch zusammen, wenn sich jede Frau daran gehalten hätte? Und außerdem: so ein Quatsch.

Regel Nummer 15: Du solltest den Sex nicht überstürzen. Da ist prinzipiell schon was dran. Andererseits: wenn es passt, why not? Solange beide glücklich damit sind und Spaß daran haben. Das Buch rät zu zwei Monaten Enthaltsamkeit (bei ein bis zwei Dates pro Woche). Das lasse ich einfach mal so im Raum stehen. Übrigens: ein Mann hat mir vor kurzem gesagt, dass er nichts moralisch Verwerfliches daran findet, wenn Frauen ihre Sexualität ausleben. Und damit hat er recht. Nicht, dass das missverstanden wird: ich plädiere gerade nicht dafür, mit so vielen Männern zu schlafen, wie nur irgendwie möglich. Aber wenn es passt und sich gut anfühlt: warum sollte man warten?

Regel Nummer 16: Sage ihm nicht, was er tun soll. Eine Regel, der ich absolut und zu einhundert Prozent zustimmen kann. Es gibt ja diese schrecklichen Pärchen, die sich gegenseitig behandeln, als wären sie ihre eigenen Eltern. Vielleicht sind sie in ihrer eigenen, kleinen Welt glücklich. Für mich wäre das ein absolutes no go und eine Sache, die jeglichen Reiz und jegliche Erotik auf einen Schlag verschwinden lässt. In meiner langjährigen Beziehung, bei der ich den Absprung verpasst hatte, war das so. Nicht total krass, aber unangenehm. Ich mag es nicht, wenn mir der Partner Vorschriften macht. Natürlich gibt es gewisse Grenzen und Dinge, über die man sprechen sollte. Aber auch in einer Beziehung ist man noch ein eigenständiger Mensch, der seinen Freiraum braucht und haben sollte.

Regel Nummer 18: Erwarte von einem Mann nicht, dass er sich ändert. Richtig. Siehe Regel Nummer 16. Punkt, aus.

Regel Nummer 25: Liebe nur Männer, die dich auch lieben. Ein sehr schöner Vorsatz. Funktioniert nur leider sehr selten. Oder nie. Zumindest bei mir nicht.

 

„Die Regeln“ sind sicher eine unterhaltsame Bettlektüre. Aber aus meiner reichen Lebenserfahrung geschöpft würde ich sagen, es reicht, auf das eigene Gefühl zu hören und sich darauf zu verlassen. Es gibt kein richtig oder falsch. Keine Richtlinie, an der man sich nur entlangzuhangeln braucht. Jeder Mensch ist unterschiedlich, es gibt also keine allgemeingültige Wahrheit, die auf jeden anzuwenden wäre. Und was das: „darf ich ihn ansprechen, darf ich nicht, darf ich ihm zeigen, dass er mir gefällt, darf ich mit ihm schlafen“ angeht: ich glaube, Männer haben nichts gegen eine gute Mischung aus Heiliger und Hure. Und jede Frau kann ja für sich selbst entscheiden, zu welcher Seite sie mehr tendiert.

 

Eine verhängnisvolle Affäre?

Vor meiner Krankheit (und auch eine gewisse Zeit währenddessen) steckte ich in einer mehrjährigen Beziehung fest. Unglücklich. Während viele Frauen das Pech haben, unglücklich zu sein, weil ihr Partner ein kompletter Vollidiot ist, der sie mies behandelt, erging es mir eigentlich viel besser. Ich hatte ein Luxusproblem, könnte man meinen. Mein Freund war zu nett. Zu harmlos. Auf Außenstehende wirkten wir oft wie ein altes Ehepaar. Es gab keinen Reiz, keine Überraschung, im Prinzip auch kein Verlangen nach körperlicher Nähe. Ich fragte mich oft, ob das schon alles war, ob mein Leben die kommenden fünfzig Jahre genauso weitergehen würde. Dennoch glaubte ich, keinen ausreichenden Grund für eine Trennung zu haben. Nicht nach all der Zeit. Ich hatte das Gefühl, es ihm auf gewisse Art und Weise schuldig zu sein, diese Beziehung aufrecht zu erhalten. Denn er hatte mir doch nichts getan, im Gegenteil. Um ihm nicht weh zu tun, nahm ich mein eigenes Unglück in Kauf. Und ging durch die Hölle. Nach sehr langer Zeit gelang es mir schließlich, diese Beziehung doch zu beenden. Viel zu spät. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich: so schnell will ich keine feste Bindung mehr eingehen. Ich hatte Angst, dass es mir immer wieder so ergehen würde – dass ich im entscheidenden Moment den Absprung verpassen und unglücklich werden würde. Männer, die Interesse an mir zeigten, ließ ich abblitzen. Ich erfand Ausreden, um nicht mit ihnen ausgehen zu müssen. Ich hatte permanent das Gefühl: wenn ich auch nur mit ihnen ausgehe, ist alles klar und ich komme aus der Nummer nicht mehr heraus. Das löste unglaubliche Panik in mir aus.

Während der Krankheitsphase reifte in mir ein Entschluss: wenn ich gesund werden würde, würde ich nur noch das tun, was ich wollte. Ich würde keine Beziehung eingehen. Ich würde mich ausprobieren und das Leben genießen. Ohne Verpflichtungen. Ohne irgendjemandem Rechenschaft schuldig zu sein. Natürlich gab es Momente (und die gibt es noch), in denen es schön gewesen wäre, einen Partner zu haben. Jemanden, der einfach da ist. Aber im Grunde genommen war es nicht das, was ich wirklich wollte.

In einem meiner letzten Beiträge habe ich von einem Mann gesprochen, mit dem ein Treffen geplant war. Ja, ich hatte mich auf das Treffen gefreut. Aber lange davor, nach ein oder zwei Tagen des Chattens hatte ich wieder diesen kurzen Moment der Angst. Natürlich schreibe ich auch mit anderen Männern bei Tinder. Aber, seien wir ehrlich: die meisten davon sind Nieten, bei denen mir nach zwei Sätzen klar ist, dass ich sie im echten Leben für kein Geld der Welt würde kennenlernen wollen. Aus diesem Grund kommt auch nicht einmal ein Hauch von Unwohlsein auf. Die Angst kommt erst dann, wenn ich jemanden nett finde. Und ich fand diesen Mann nett. In einer unserer „Unterhaltungen“ kam aufs Tablett, dass er derzeit nicht auf der Suche nach einer festen Beziehung ist. Diese kleine Aussage nahm mir die Last. Und ich begann, mich auf das Treffen zu freuen. Zurecht, wie sich herausstellen sollte. Mit ihm hatte ich einen der schönsten Abende seit langem. Ich hatte das Gefühl, dass er mich so nimmt und akzeptiert, wie ich bin. Und das war unglaublich. Er war intelligent und lustig und seine Sicht auf die Welt und das Leben beeindruckte mich. Es war eine der Begegnungen, die glücklich machen. Einfach nur, weil man sie hatte. Als wir auseinander gingen, sprachen wir nicht darüber, ob oder wie es weitergehen würde. Ich war rundum zufrieden. Nach ein paar Tagen, in denen wir weiterhin Kontakt hatten, tat ich etwas, was man eigentlich nicht tun sollte. Ich fragte ihn direkt, was er wolle, wonach er suche. Das war einer der Momente im Leben, bei denen man direkt während des Erlebens denkt: hmm, das könnte man jetzt auch sein lassen. Aber ich tat es nicht. Denn aufgrund meines kleinen Angstproblems musste ich plötzlich wissen, woran ich war. Er sagte mir direkt und ohne Umschweife, was er mir eigentlich bereits geschrieben hatte (und was irgendwo in den Windungen meines Hirns verschlungen worden war). Er wolle nichts Festes und auch nichts Exklusives. Im ersten Moment musste ich schlucken. Im Endeffekt hatte er das gesagt, was ich seit Monaten gewollt hatte. Aber es ausgesprochen zu hören, auf eine so ehrliche Art und Weise, wie man sie heutzutage (leider) selten findet, machte mich dann doch erst einmal sprachlos. Ich wusste nicht, ob ich mutig genug sein würde, meine Wünsche in die Tat umzusetzen und dachte darüber nach. Und beschloss schließlich, mich darauf einzulassen.

Ich bin kein Freund von gefühllosen One-Night-Stands, das war ich noch nie. Ich kann mich auch nicht auf jemanden einlassen (auf welche Art auch immer), den ich nicht sympathisch und anziehend finde. Und ich mag das Wort „Affäre“ nicht. Es klingt auf eine negative (und nicht auf eine geheimnisvolle) Weise verboten und verurteilenswert. Ebensowenig gefällt mir der Ausspruch „Freunde mit gewissen Vorzügen“. Deshalb habe ich für mich entschieden, das, was ich mit diesem Mann habe beziehungsweise eventuell haben werde, einfach gar nicht zu definieren. Es ist keine Beziehung und es ist kein „wir schauen mal, wohin uns das führt“. Anstatt eine Definition zu suchen, werde ich es genießen. Ich habe nichts zu verlieren und kann nur gewinnen. Denn ich bin nicht verliebt. Aber ich mag ihn. Als Menschen wie als temporären Bettgefährten. Und das macht den Reiz aus.